Videospielmusik berührt, zieht uns tiefer in die Spielwelt und kommuniziert sogar mit uns. Wie sie das alles anstellt, wollen wir gemeinsam in unserer Serie über Musik in Videospielen ergründen. In unserem ersten Teil nehmen wir euch mit auf eine kleine Reise durch die Geschichte des Computerspielsounds.
Was wäre wohl Tetris ohne seine ikonische Melodie? Längst hat sich das Stück verselbstständigt und hat – ebenso wie das Spiel – Kultstatus erreicht. Videospielmusik gehört so selbstverständlich zum Spielerlebnis, dass wir sie oft gar nicht mehr bewusst wahrnehmen. Denn ist sie gut gemacht, fügt sie sich perfekt in das Spielgeschehen ein.
Mehr noch: Sie ist sogar in der Lage die Stimmung zu beeinflussen, die eine Spielszene erzeugen soll. Das gelingt, indem sie die anderen audiovisuell transportierten Informationen unterstreicht – oder sogar konterkariert.
Musik kommuniziert also mit euch! Indirekt indem sie eine bestimmte Stimmung im Spiel verstärkt oder direkt, indem sie beispielsweise bei Kampfbeginn ihren Charakter an das Spielgeschehen anpasst und euch so vermittelt: Jetzt ist Action angesagt!
Dabei triggert sie bestimmte Emotionen, die euch tiefer in die Spielwelt ziehen. Doch bis Musik in der Lage war, die Wirkungskraft heutiger Game-Soundtracks zu entfalten, musste sie einen langen Entwicklungsweg zurücklegen.
Am Anfang war Pong
Die ersten Computerspiele entstanden im Umfeld von Universitäten und sind von einer technisch hochgebildeten Elite entwickelt worden. Denn die Rechner von damals haben wenig mit den PCs (Personal! Computern) von heute zu tun.
Sie füllten damals ganze Räume aus und waren für Privatpersonenen schlicht unerschwinglich. Ihre Bedienung war zudem alles andere als nutzerfreundlich. Nur speziell ausgebildetes Fachpersonal konnte damit etwas anfangen.
Selbstredend war es ein Informatik-Student, der als Schöpfer des ersten Computerspiels überhaupt gilt: A.S. Douglas programmierte 1952 eine elektronische Version von Tic-Tac-Toe (XOX) auf dem EDSAC-Computer der Universität von Cambridge. Eine kleine Spielerei, die noch nicht erahnen lies, dass daraus nur wenige Jahrzehnte später ein gigantischer Industriezweig entstehen würde.
1958 entwickelte Willy Higginbotham Tennis for Two. Ein Spielkonzept, das die Firma Atari in den Anfang der 1970er aufgriff und unter dem Titel Pong (1972) veröffentlichte. Es wurde das erste kommerziell erfolgreiche Videospiel. Und es hatte sogar Sound.
Ein wenig früher dran als Pong war Computer Space (1971 – Nutting Associates). Es gilt als das erste Spiel mit Tonspur. Das erstes Spiel mit Geräuschen, die als Musik bezeichnet werden können war Space Invaders (1978 – Taito)
Die Universitäten und ihre experimentierfreudigen Studenten blieben weiterhin ein wichtiger Faktor für die Spieleentwicklung und sind es bis heute. Doch die Arcade-Hallen und die dortigen Spieleautomaten waren der Ort, an dem die meisten Spieler der ersten Generation ihre Erfahrungen mit Games sammelten.
Erst in den 1980ern eroberten Konsolen und PCs die Wohn- und Kinderzimmer. Der Erfolg des NES (Nintondo Entertainment System, ursprünglich Famicom – Nintendo Family Computer, 1984) hatte daran einen wesentlichen Anteil. Die allererste Heimkonsole, die Magnavox Odyssey, wurde aber schon 1972 veröffentlicht und basierte auf einen Prototypen vom deutschen Ingenieur Ralph H. Baer, der diesen 1968 entwickelte.
Weitere wichtige Etappen in der Sound-Geschichte von Games:
1979 Major League Baseball (Erste Worte: strike, out)
1981 Donkey Kong –Nintendo (Tischler Jumpman muss seine Freundin aus den Fängen des Gorillas Donkey Kong befreien)
1981 Tempest– Atari (Erstes Spiel mit eigenem Soundtrack)
1982 Astron Belt – Balli (Erstes Spiel mit Laserdisc-Technologie)
1983 Dragon’s Lair – Cinematronics (Laser-Disc-Technologie, Stereo Sound, echte menschliche Stimmen)
Rise of the PC: Die 8-Bit-Ära
In den 1980er Jahren erkannte man zunehmend das Potential von Computern als Spielmaschine. Zuvor nutzte man PCs hauptsächlich für Arbeitsprozesse. Besonders der berühmte C64 (Commodore 64 – 1982), der damals der meistverkaufte Heimcomputer war, prägte eine ganze Generation von Gamern.
Eines der Nachfolger-Modelle, der Commodore Amiga (1985) verfügte dann „schon“ über einen 8-Bit-Sound-Chip. Das hatte damals in der Consolen-Landschaft nur das NES.
Ein 8-Bit-Sound-Chip war fähig, vier Soundchannels zu produzieren, wobei drei für Musik und einer für Sound verwendet werden konnten. Später kamen sogar alle vier für Musik zum Einsatz, wobei der vierte durch eine Soundspur ersetzt wurde, wenn diese benötigt wurde.
Mehrstimmige Musik mit einem vollen Klangbild zu erzeugen war mit diesen technischen Voraussetzungen schwierig. Die Soundmöglichkeiten waren nach wie vor sehr eingeschränkt, entsprechend unbefriedigend war auch die Soundqualität.
Loops mit Ohrwurm-Garantie
Viele der NES-Spiele waren Kopien von Arcade-Spielen und übernahmen auch deren Musik. Diese bestand in den Anfängen aus sehr kurzen, ein- bis zweitaktigen Loops. Bei späteren Titeln lässt sich anhand der Länge der Loops bereits ein Zusammenhang zwischen Musik und Genre festmachen, da Spiele mit längerer Spieldauer (Rollenspiele, Adventures) auch längere Loops aufwiesen als solche mit kurzer Spieldauer (Actionspiele, Sportspiele).
Auch innerhalb eines Spiels gab es Unterschiede in der Looplänge, wobei zum Beispiel Kampfszenen meist mit kürzeren Loops versehen wurden. Einzelne Loopsequenzen wurden mehrmals in einem Spiel verwendet. Damit konnte man dem mangelnden Speicherplatzangebot entgegenwirken.
Die Loop-Praxis findet sich auch in der Computerspielmusik, da dort ebenfalls die geringen Speicherkapazitäten der damaligen Datenträger (Disketten, Kassetten oder Steckmodule) ein technisches Problem darstellten, das die Möglichkeiten der Komponisten stark limitierte.
Kennzeichnend war außerdem, dass Komponist und Programmierer oft ein und dieselbe Person waren, wie im Falle von Tetris der russische Programmierer Alexei Paschitnow. Die durch das Spiel so berühmt gewordene Melodie mit Ohrwurmgarantie ist übrigens eine elektronische Version das russischen Liedes Korobeiniki.
Es war damals üblich, dass präexistente Musik als Soundtracks umgesetzt wurden, da die Programmierer eben selten Musiker waren. Die Melodie von Super Mario Bros ist dagegen eine eigene Kreation von Komponist Koji Kondo.
1985 Alexey Paschtinow: Tetris und Koji Kondo: Super Mario Bros
Weitere berühmte Soundtracks der 8-Bit-Ära: The Legend of Zelda (1986 – Nintendo, Koji Kondo), Final Fantasy (1987 – Square Enix, Nubuo Uematsu)
Wusstest du, dass Menschen, die als Kinder Nintendo-Spiele gespielt haben, intelligenter sind als der Durchschnitt? Wie sich regelmäßige Gaming-Sessions auf unser Gehirn auswirken erfährst du in unserem Artikel „Game an Gehirn: Was Zocken mit unserem Denkorgan anstellt„.
16-Bit-Sound: MIDI-Inc
In der 16-Bit-Ära differenzierte sich der Komponist weiter aus. Auch technisch wurden Fortschritte gemacht. Zum Beispiel mit verbesserten Soundkarten. Die Sound-Designer/Komponisten arbeiteten dann schon mit dem MIDI-Format.
Die MIDI-Dateien enthielten lediglich Steuerinformationen für die Soundkarte, wie Notenhöhe und Instrument, nicht aber die eigentliche Musik. Das wird heute noch so gemacht.
Die 16-Bit-Ära war geprägt vom Dualismus zwischen Super Famicom/Super Nintendo Entertainment System (1990) vs Sega Genesis (1989). Unter den PCs war es der Amiga 500 (1987), der die 16-Bit-Ära prägte.
1991 ActRaiser erster symphonischer Sound
1991 wurde iMUSE von Michael Land und Peter McConnell entwickelt, dass unter Verwendung von MIDI-Dateien, eine dynamischere Kompositionsweise/Wiedergabe von Computerspielmusik ermöglichte, das heißt die Musik konnte sich verändern, wenn die Szenerie wechselte. Adaptiver Sound. LeChucks Revenge
Das Zeitalter von CD und DVD
Nächste große Schritt war der Umstieg auf CD als primärer Datenträger Mitte der 1990er Jahre und damit eine Soundrevolution. Es gab schon Anfang der 90er einige Konsolen, die versuchten auf CD als primären Datenträger zu setzen, wie beispielsweise das Sega CD System (1992), der Panasonic 3DO oder der Jaguar von Atari (1993).
Letzter verfügte schon über Sound in CD-Qualität und stereo Effekt. Dennoch scheiterten diese frühen CD-Konsolen. Die erste wirklich erfolgreiche CD-Konsole war die Playstation (1995), die das Ende der 16-Bit-Ära einläutete und gemeinsam mit den Konsolen von Microsoft und Nintendo bis heute um die Vorherrschaft auf dem Heimkonsolenmarkt kämpft. Während Sega und Atari zurückblieben.
Mit der CD (oder später DVD) als Datenträger verfügte man über wesentlich mehr Speicherkapazitäten. Nun konnte man die Musik von einem Videospiel von Livemusikern oder einem ganzen Orchester einspielen lassen und in herausragender Soundqualität zu Hause abspielen. In der frühen Phase war man durch das Redbook-Audio-Format allerdings noch auf 72 Minuten Spielzeit bei Audio-CDs beschränkt. Das änderte sich aber schnell.
Auch für die Komponisten änderte sich einiges, da sie nun faktisch über keine Programmierkenntnisse mehr verfügen mussten. Viele gelernte Film-Komponisten strömten in die Computerspielszene und wurden Computerspielkomponist.
Videospiel-Musik aus Hollywood
Einer von ihnen ist Inon Zur, der unter anderem die Musik zu Crysis (Crytec, 2007) und Dragon Age: Origins (BioWare, 2011) komponierte. Für den Nach-Nachfolger Dragon Age: Inquisition (BioWare, 2014) entschied man sich allerdings für einen anderen: Trevor Morris. Aus seiner Feder stammt auch der Soundtrack zum Serien-Hit Vikings.
Nicht selten also, sind Videospielkomponisten auch in anderen audiovisuellen Medien unterwegs. Und umgekehrt. Es dauerte natürlich nicht lange, bis Spieleentwickler auf die Idee kamen auch in Hollywood anzuklopfen. So trat die Nachfolge von Inon Zur beim Soundtrack zu Crysis 2 (2011) niemand geringeres als Hans Zimmer an.
Eine Entwicklung, die sich auch in anderen Bereichen bemerkbar macht. Beispielsweise indem Hollywood-Stars Spielcharakteren ihre Stimme leihen – oder gleich den ganzen Körper (u.a. Ellen Page und Willem Dafoe in Beyond: Two Souls, Quantic Dreams, 2013)
Zukunftsmusik in 3D
Seit der Mitte der 1990er Jahre gab es einge weitere wichtige Neuerungen, die den Spielsound langsam aber beständig revolutionierten. Darunter die Entwicklung des platzsparenden MP3-Speicherformates oder die Einführung von DirectX, was die Kommunikation zwischen den Hardware-Komponenten erleichtert.
Dazu kommen immer leistungsstärkere Soundkarten und Entwicklungen wie Dolby Digital oder 5.1. bzw. 7.1 Sourroundsound, Dolby Atmos (unendliche Soundkanäle). Mittlerweile gibt es sogar 3D-Sound für das Heimkino, wo Lautsprecher an der Decke eine zusätzliche Sound-Dimension ermöglichen.
Damit sind wir in Sachen Immersion sicherlich noch lange nicht am Ende. Gerade im VR-Bereich wird noch einiges passieren. Aktuell ist der binaurale Sound (Hören mit beiden Ohren), die beste Lösung, einen räumlichen Höreindruck zu erzeugen.
Du träumst davon, dass euer Soundtrack in einem Videospiel zu hören ist? Vielleicht ist ja auch für dich die Modding-Szene das perfekte Sprungbrett in die Games-Branche. Für Sebastian von Clockwork Origins war es das. Wir erzählen die Geschichte des Indie-Duos aus Franken.
Musik in Computerspielen: Damals und heute
Früher war alles besser! Heißt es oft. Aber gilt das auch für die Videospielmusik? Viele Veteranen aus den Tagen der ersten Games mit Sound schwärmen noch immer mit verklärtem Blick von den eingängigen Melodien, während sie beim Beladen des Umzugtransporters lethargisch das Thema von Tetris summen.
Tatsächlich haben die Soundtracks der 1980er Jahre und frühen 1990er eine Gemeinsamkeit: Sie gehen ins Ohr. Und das hat ganz praktische Gründe. Ihre Ikonik haben sie in erster Linie den limitierten technischen Mitteln zu verdanken. Die Komponisten (oder Programmierer) konnten nicht anders und mussten sich mit einfachen Struktur, kurzen Loops und wenigen Stimmkanälen zufrieden geben.
Beispiel 1: Super Mario Bros.-Theme
Heutige Komponisten haben die Möglichkeit, komplexe und vor allem komplett orchestrierte Musikstücke zu erschaffen, die den epischen Sounds aus den Kinosälen in nichts nachstehen.
Beispiel 2: Halo-Theme (Martin O’Donnell, Michael Salvatori, 2001)
Aber! Das eine schließt das andere letztlich nicht aus. Es gibt auch heute noch Stücke, die „trotz“orchestralem Sound Ohrwurm-Garantie haben: Musikalische Meisterwerke, die mit reduzierten musikalischen Mitteln maximale Wirkung erzielen.
Beispiel 3: Crysis 2-Thema (Hans Zimmer, 2011). Die einfache melodische Strukturen nutzen, die sich in Ohr und Gehirn einbrennen
Und durch die eingängen Rhythmen, die sich zu weilen dem Spielgeschehen optimal anpassen, ein einzigartiges Spielerlebnis erzeugen.
Beispiel 4: Rayman Legends-Mariachi Madness (Christophe Herale, Billy Martin, 2013).
Habt ihr einen Lieblingssoundtrack? Lasst es uns gerne wissen!
Ich danke Ihnen für den interessanten Artikel. Musik gehört einfach untrennbar zu einem guten Videospiel dazu. Da gibt es auch immer wieder tolle, neue Kompositionen.
Mit besten Grüßen
Daniel von https://beagamer.de
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