Vom 28. bis 30. Juni fand an drei Tagen der Franken Game Jam 2019 an drei Standorten in Franken statt. Darunter die Universität Bayreuth, an der auch Initiator Paul Redetzky studiert. Außerdem kam in Würzburg ein kleines Zwei-Mann-Team zusammen. Ich selbst habe mich an den dritten Spot im Haus des Spiels in Nürnberg begeben, um den dortigen Jammern über die Schulter zu schauen.
Videospiele im Museum. Das ist ein Anblick, an das man sich erstmal gewöhnen muss. Gerade mit der historischen Kulisse im Pellerhaus in Nürnberg, das im frühen 17. Jahrhundert ein Kaufmann als repräsentatives Wohn- und Geschäftsgebäude errichten ließ, wirkt die Videospiel-Ausstellung im Eingangsbereich surreal.
Hier werde ich von Sebastian vom Deutschen Spielearchiv in Nürnberg begrüßt, der das Event mit organisieren. Er öffnet mir die Pforten zum Veranstaltungsort und gewährt mir gleichzeitig einen Einblick in das Konzept des sogenannte „Haus des Spiels“.
Hier soll nach und nach eine Anlaufstelle für alle entstehen, die sich irgendwie für Spiele interessieren – egal ob analog oder digital. Oder einfach spielend mit anderen Menschen in Kontakt treten wollen. Im Gebäude sind nicht nur das Spielearchiv, ein E-Sportsverein und eine Werkstatt für Cosplayer untergebracht, es finden auch regelmäßig Veranstaltungen verschiedenster Art zum Medium Spiel statt. So wie eben der Franken Game Jam.
Ich bin begeistert von der Idee und kann mir mittlerweile keinen besseren Ort für ein Game Event in Nürnberg vorstellen. Micht hat Sebastian überzeugt: Wir brauchen mehr davon! Und nachdem ich mit den Teilnehmern des Franken Game Jams gesprochen habe bin ich mir außerdem sicher: Wir brauchen gerade davon mehr!

Game Jam 2019: Intro
Auftakt des Game Jam 2019 bot eine Keynote von Games-Branchen-Urgestein Hans Ippisch, der im Juni von der Computec Media zum US-Unternehmen Intellivision Entertainment wechselte. Dort ist er nun Geschäftsführers der Intellivision Entertainment Europe GmbH.
Intellivision plant am 10. Oktober 2020 die Retro-Konsole Intellivision Amico herausbringen. Unter den geplanten Launch-Titeln sind viele Spiele-Klassiker, wie Pong oder Astroids. Der Clou: Tommy Tallarico (CEO bei Intellivision) wird wahrscheinlich die Spiele antesten. Wenn eines der Spielkonzepte vom Game Jam überzeugt, darf das Team seine Idee für die Amico umsetzen.
Dafür müssen die Teilnehmer des diesjährigen Franken Game Jam das Thema „Back to the Couch“ umsetzen – mit den optionalen Anforderungen das Spiel in 2D, als lokalen Multiplayer und mit intuitiver Spielmechanik zu realisieren. Denn eines der selbsterklärten Ziele von Intellivision Entertainment ist es, mit ihrer Konsole Menschen zusammenzubringen und jeden Spielertyp anzusprechen, vom Grundschüler bis zur Omi.
Was ich jetzt erzähle, dürfte für erfahrene Game-Jammer ein alter Hut sein. Für mich sind die Prozesse auf solch einem Event aber völlig neu und daher erwähnenswert: Die Anwesenden werden in zwei Gruppen geteilt, die jeweils eine erste Spielidee entwickeln. Anschließend werden die Gruppen noch einmal durchmischt.
Am Ende jeder Brainstorming-Runde steht eine Kurzpräsentation der erdachten Grobkonzepte. Erst dann formen sich die endgültigen Teams – in diesem Fall vier. Dabei wird selbstverständlich darauf geachtet, dass jedes Team mindestens einen Coder hat und auch andere Talente gleichmäßig verteilt werden. Dann darf munter drauflos gejammt werden.

Team „SofaSurf“
Als ich den Kreativ-Raum betrete, ist eines der drei Teams leider schon abgereist. Das Vierte arbeitet von zu Hause. Also steuere ich spontan das nächstgelegene Team an. Nach nur etwas mehr als 24 Stunden haben sie bereits eine spielbare Version umgesetzt, die alle Anforderungen erfüllt.
Ich kapiere sofort worum es geht: Mein Mitspieler und ich steuern je eine Katze und eine Eule, die auf einer Couch sitzen. Diese schwimmt auf dem Wasser – das Baumhaus der beiden Tiere wurde überflutet – und wir müssen mit den Links-Rechts-Pfeiltasten, beziehungsweise A und D Gegenständen (u.a. Blumentöpfen) ausweichen, die uns auf dem Weg nach oben entgegenkommen. Das machen wir, indem wir unsere Sitzposition anpassen und den Schwerpunkt verlagern.
„SofaSurf“ wurde mit STENCYL erstellt. Einem Programm, das sehr leicht zu bedienen ist und daher gern für Schulprojekte verwendet wird. Der Vorteil: Man hat schnell etwas Spielbares. Darum geht es ja unter anderem bei einem Game Jam.
Anders als ich erwartet hätte, besteht das Team nicht aus gestandenen Indie-Entwicklern, sondern größtenteils aus Game Design-Neulingen. Nur einer im Team, ein Informatikstudent, arbeitet neben dem Studium bei einer Software-Firma, die unter anderem Spiele entwickelt. Dazu gesellen sich ein Software-Tester, eine Grafikerin, die eigentlich Juristin ist und ein Student des Wirtschaftsingenieurwesens, der seit der Kindheit in seiner Freizeit Musik komponiert.

Team „Potato Escape“
Auch das zweite Team ist schon weit fortgeschritten mit seinem Konzept. Hinter dem Titel „Potato Escape“ versteckt sich ebenfalls ein Multiplayer-Game, in dem die Couch die heimliche Hauptrolle spielt. Von der Couch aus müssen die beiden Spieler Rätsel lösen, deren Avatare jeweils einer Kartoffel gleichen. Jedes Level repräsentiert eine Totsünde.
Abhängig vom Level, haben die Kartoffeln andere Formen und Eigenschaften, die sie kombinieren müssen, um die Rätsel zu lösen, um die Couch vorwärts zu bewegen. Im „Zorn“-Level beispielsweise kann die Fähigkeit Wut genutzt werden, um die Couch anzutreiben.
Dieses Team entschied sich für Unity, das unter Indies sehr verbreitet ist. Unity hat den Vorteil, dass es sehr universell ist und man auf einen gigantischen Asset-Store zurückgreifen kann. Allerdings muss man sich damit etwas auskennen.
Auch in dieser Jammer-Gruppe finden sich keine gestandenen Spielentwickler, sondern eine illustre Runde mit ganz unterschiedlichen Erfahrungshintergründen, bestehend aus einem Software-Entwickler, einem Informatik-Studenten, einem Digital Artist, einem Autor und einer Literaturwissenschaftlerin.

To be continued…?
Am Ende des Franken Game Jam 2019 konnten beim Abschlussevent 16 Spielkonzepte präsentiert werden, die ihr euch hier ansehen könnt. Ob es eines davon auf die Amico schaffen wird, ist zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Möglicherweise wird man von den Titeln nie wieder etwas hören. Am Ende ist es auch nicht entscheidend, ob aus einem Game Jam-Projekt ein Hit wie Super Hot entsteht. Was zählt, sind die Erfahrungen, die die Teilnehmer beim Jammen sammeln.
Wer darüber nachdenkt, ein Spiel zu entwickeln oder eine Anstellung in der Games-Branche in Betracht zieht, sollte sich dringend nach einem Game Jam in seiner Nähe umschauen. Nicht nur, dass man hier einen ersten Eindruck davon bekommt, wie ein Spiel in der Praxis entsteht. Sie sind, so verrät mir einer der Teilnehmer, bei Bewerbungen ein wichtiger Nachweis für Unternehmen, dass man Erfahrungen im Erstellen von Games hat. Und dafür, dass man im Team funktioniert.
Also, worauf wartet ihr? Wir sehen uns beim Franken Game Jam 2020!
#frankengamejam19
5 Gedanken zu “Franken Game Jam 2019: Mehr Jammer braucht das Land!”