Sind Menschen, die zu viel Zeit mit Games verbringen nur schrullige Nerds oder steckt vielleicht doch eine ernsthafte Erkrankung dahinter. Die Weltgesundheitsorganisation hat sich nun mit dem Thema befasst und fällt ein eindeutiges Urteil.
Die World Health Organisation (WHO) hat Gaming-Störung/Videospielsucht (Gaming Disorder) als anerkannte Krankheit in den ICD-11 (die 11. Revision des International Statistical Classification of Deseases and Related Health Problems) aufgenommen. Dieser ist nach Monaten der Diskussionen nun offiziell. Viele von uns gelten jetzt als gestört. Ihr auch? Hier ein Schnelltest:
Erkennt ihr euer Verhalten in einer oder mehrerer der folgenden Aussagen wieder?
- Ich habe nicht immer die Kontrolle über mein Gaming-Verhalten (Beginn und Ende, Kontext, Dauer, Intensität, Häufigkeit).
- Durch Gaming vernachlässige ich andere Hobbys und tägliche Aktivitäten.
- Ich spiele exzessiv weiter, obwohl es sich negativ auf mein Leben auswirkt (Familie, Freunde, Schule, Arbeit).
Vermutlich werden die meisten mit ja antworten. Zumindest mit der Anmerkung, „zu einem gewissen Grad“. So geht es mir persönlich.
Ich spiele häufig länger, als ich mir vorgenommen habe. Meistens ist es die Schlafdauer, die deshalb schrumpft. Es kann vorkommen, dass ich keinen Sport mache, weil mich ein neues Game mehr reizt. Und ja, ich habe schon Schule/Uni geschwänzt oder meine Arbeit vernachlässigt, um zu spielen. Aber habe ich deshalb eine psychische Störung?
Obwohl es Zeiten gab, in denen ich einen Großteil meiner Freizeit mit Gaming verbracht habe, kam mir so etwas nie in den Sinn. Die Süchtigen, das waren für mich die World of Warcraft-Spieler, die ihr halbes Leben vor dem Rechner verbringen. Ich kenne mehrere Menschen, die ihren Alltag nach dem Online-Rollenspiel ausgerichtet haben. Sicher gibt es auch andere Spiele mit hohem Suchtpotential, doch WoW ist das mit Abstand verbreitetste.
Ob online oder offline spielt für die Diagnose keine Rolle. Aber die Möglichkeit, mit anderen zu spielen, ohne sich treffen zu müssen, hat die Gefahr der Gaming-Sucht sicher erhöht. Der Drang nach sozialer Interaktion kann durch Online-Games gestillt werden. Ich kenne aber auch Geschichten, dass sich Leute erst im Spiel und anschließend in Person getroffen haben. Nicht jeder WoW-Spieler ist sozial gestört.
Was war zuerst – die Krankheit oder das Videospiel?
Videospiele haben ein höheres Suchtpotential als Filme und Serien (Interaktion, kein klares Ende). Trotzdem fühlt es sich falsch an, dass diese im ICD keinerlei Beachtung finden. Denn ob ich nun zocke, Fernseher schaue, im Internet surfe oder lese, die Auswirkungen können immer auch negativ sein. Häufig hat die betreffende Person eine entsprechende Vorbelastung.
Für mich ist das absolut naheliegend: Videospiele sind der beste Weg, der Realität zu entkommen. Wenn ich der Realität so oft entfliehen möchte, dass alle anderen Aspekte meines Lebens eingeschränkt werden, muss ich tiefere Probleme haben. Exzessives Gaming (konstant über einen langen Zeitraum) ist also nur Ausdruck der Verhaltensauffälligkeiten, die ich ohnehin schon habe.
Was bringt es mir, wenn ein Psychiater mir sagt, ich hätte eine Videospielstörung? Für mich ist das lediglich ein Symptom. Durch die Aufnahme in den ICD-11 wird die Diagnose zu einer Waffe. Durch sie kann medial und psychiatrisch gegen Games und Gamer vorgegangen werden. Durch sie können weitere Menschen als „krank“ betitelt werden.
Bin ich selbst spielsüchtig? Ich persönlich finde es nicht richtig, wenn ein Fragenkatalog darüber entscheidet. Ich möchte selbst definieren, wie viel Raum Gaming (und anderer Medienkonsum) in meinem Leben haben soll. Erst, wenn ich nicht mehr in der Lage bin, diese Entscheidung bewusst zu treffen, ist professionelle Hilfe ratsam, wenn auch mit Vorsicht zu genießen. Zu oft werden Menschen von der Psychiatrie abgestempelt und müssen dann mit diesem aufgezwungenen Mantra leben.
Alle Informationen zum ICD-11 gibt es bei der WHO.
3 Gedanken zu “Bist du spielsüchtig?”