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Game Studies: Unpolitisch inkorrekt – Ein Interview mit Felix Zimmermann über Games als Medium der Erinnerungskultur

Regelmäßig stellen wir euch spannende Forschungsprojekte aus den Game Studies und angrenzenden Disziplinen vor, die zum Nach- und Weiterdenken anregen. Im zweiten Teil der Serie haben wir uns mit Historiker Felix Zimmermann über historische Darstellungen in Games und dem Wert von Videospielen für unsere (Erinnerungs-)Kultur unterhalten.

Hallo Felix, erzähl uns doch zum Einstieg in 2-3 Sätzen wer du bist und was du machst.

Ich bin Felix Zimmermann, habe in Münster und Köln Geschichtswissenschaft und Public History studiert und bin jetzt im letzten Promotionsjahr an der a.r.t.e.s Graduate School for the Humanities Cologne in Köln. An der Universität zu Köln habe ich bereits meinen Master gemacht und konnte dank der guten Strukturen der Graduate School mit meinem Stipendium direkt in die Promotion überleiten. Die werde ich wahrscheinlich nächstes Jahr abschließen.

Weißt du schon, ob du in der Wissenschaft bleibst?

Das ging bei mir alles so furchtbar schnell, dass ich bisher kaum Zeit hatte darüber nachzudenken. Würde ich nochmal studieren, würde ich definitiv nicht mehr so durchrasen. Die beruflichen Perspektiven in der Wissenschaft sind leider nicht sehr rosig. Ein sicherer Arbeitsplatz ist nicht selbstverständlich, und man muss hinsichtlich seines Standortes flexibel sein. Zudem ist die Konkurrenz sehr stark. Eine akademische Laufbahn zu planen ist ohnehin recht schwierig, da ich nicht sicher sein kann, dass gerade Stellen ausgeschrieben sind, wenn ich fertig bin. Das wird sich zeigen.

Du bist Mitglied des Arbeitskreises Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele. Was macht ihr da?

Der Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele ist 2016 als Anlaufstelle für alle gegründet worden, die in diese Richtung studieren und forschen. Er möchte also primär Ansprechpartner für Studierende und Netzwerk für Forschende sein. Aber wir beraten auch Studios. Das machen wir freiwillig und oft unentgeltlich. Sind aber umfangreichere oder längerfristige Beratungstätigkeiten gefragt, dann kann durchaus ein Honorar fällig werden. Das wird von Fall zu Fall entschieden. Gerne können Entwickler*innen direkt auf uns zukommen. Unsere Beratung war aber auch schon Teil eines Preises der Stiftung Digitale Spielekultur. Meine Kolleg*innen sind bis heute in die Gewinnerteams eingebunden.

Portrait Felix Zimmermann Universität Köln a.r.t.e.s.
Felix konzentriert sich in seiner Forschung auf das Potential von Medien zur Erinnerungskultur, beschäftigt sich viel mit der Zeit des Nationalsozialismus und Kolonialismus, aber auch mit Games als Kulturgut sowie mit der Games-Branche an sich. Quelle: Felix Zimmermann/a.r.t.e.s., Universität zu Köln, Köln, Autor: © Patric Fouad

Wie ist allgemein der Status Quo der Forschung zu historischen Inhalten in Videospielen?

Da Videospiele selbst ein verhältnismäßig junges Medium sind, steht die Forschung dazu noch relativ am Anfang. Der Sammelband Wollten Sie auch schon einmal pestverseuchte Kühe auf Ihre Gegner werfen?, herausgegeben von Angela Schwarz, hat in den frühen 2010ern einen kleinen Hype ausgelöst. Aber es gibt bis heute keine eigenen Professuren und noch viele Forschungslücken. Zu Beginn hat sich die Forschung sehr auf die Frage konzentriert, ob die Inhalte historisch korrekt sind. Heute findet sie auf verschiedenen Ebenen statt. Zum Beispiel wird nun auch zur Spielmechanik geforscht oder bei den Narrativen nicht mehr nur das Was sondern auch das Wie berücksichtigt. Was fast gänzlich fehlt, ist, dass Entwickler*innen eingebunden werden. Für die Produktionsforschung zum Beispiel. Und zur Rezeption – also Wirkung – gibt es wenig bis nichts. Was die Methoden anbelangt, wird sich noch viel aus Film- und Literaturforschung bedient.

Wie kamst du selbst darauf, Geschichte in digitalen Spielen zu forschen?

Ich habe meinen Master in Public History gemacht. Der Studiengang öffnet sich per se auch für nicht-universitäre Geschichtswissenschaftler*innen und nicht-klassischen Quellen. Ich habe früh in meinen Seminararbeiten einen Schwerpunkt auf Games gesetzt. Dass ich sie auch als Forschungsgegenstand für meine Promotion ausgewählt habe, ist auch dem Support vom Arbeitskreis und meinen Dozent*innen zu verdanken. Selbstverständlich ist es nämlich nicht, dass man in Geschichte so ein modernes Thema wählt, und ich war mir anfangs durchaus unsicher, ob das funktioniert.

Sagst du von dir selbst, dass du in Geschichte oder in Game Studies promovierst?

Offiziell ist „Neuere und Neueste Geschichte“ mein Promotionsfach. Meine Zugehörigkeit zur Geschichtswissenschaft wird aber mitunter in Frage gestellt, da es so ein Schnittstellending ist. Ich nutze viele der Methoden aus der Geschichtswissenschaft, muss mich aber zwangsläufig auch bei den Game Studies umsehen, da Games gerade durch ihre Interaktivität und Räumlichkeit ein spezielles Medium sind. Ganz anders als der Umgang mit Literatur, Videoaufnahmen oder anderen geistigen und materiellen Hinterlassenschaften. Da hängen auch Fragen dran, wie ich Forschungsmaterial, also zum Beispiel Videospielausschnitte, archiviere und wie ich das Ganze in meiner Arbeit umsetze.

Einer deiner Forschungsschwerpunkte liegt auf Erinnerungskulturen. Was meint dieser Begriff?

Erinnerungskulturen sind die Summe der Praktiken die wir nutzen, um etwas in Erinnerung zu behalten. Das ändert sich in einer Gesellschaft ständig. Digitale Spiele sind eine der vielen Möglichkeiten, an etwas zu erinnern.

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Anders als in den meisten anderen Games, die während der NS-Zeit spielen, geht es in Through the Darkest of Times nicht um den Krieg gegen Nazis, sondern um den alltäglichen Kampf der Juden gegen ihre Unterdrücker und letztlich um ihr Leben. Quelle/Autor: Paintbucket Games

Wie unterscheiden sich Games da von andere Medien?

Das hängt sehr stark vom Anspruch des jeweiligen Spiels ab. Dass Spiele bewusst als Teil der Erinnerungskultur entwickelt werden, kommt jetzt erst auf. Dabei wird oft versucht, einen anderen Zugang zu einer Thematik zu finden. Wie beispielsweise in Throught the Darkest of Times (2020, Paintbucket Games). Darin schlüpft man in die Rolle eines Widerstandskämpfers oder einer Widerstandskämpferin während der NS-Zeit. Das ist ungewöhnlich, denn viele Spiele, deren Handlung in der Zeit des Zweiten Weltkrieges angesiedelt wurden, sind auffällig unpolitisch. Das ist sogar kennzeichnend für sie. Dabei sind gerade Videospiele besonders gut geeignet, um Systeme zu simulieren. Mit Games lassen sich außerdem Zielgruppen erreichen, die von klassischen Erinnerungskulturinstitutionen wie Gedenkstätten nicht erreicht werden. Gerade jetzt, wo immer mehr Zeitzeugen aus der NS-Zeit sterben, könnten sie viele spannende Facetten für die Erinnerungskultur eröffnen.

Wie authentisch können dabei historische Games sein? Müssen sie das überhaupt?

Zunächst ist wissenschaftlich nicht eindeutig, was authentisch ist. Ich persönlich unterscheide zwischen akkurat und authentisch. Akkurat bedeutet eher Faktenbezogen, authentisch meint, dass etwas plausibel ist, dass es einen bestimmten Eindruck vermittelt und eine gewisse Atmosphäre erzeugt. Die Faktenvermittlung ist bei letzterem nicht der zentrale Punkt. In Through the Darkest of Times sind die Charaktere realen Figuren nachempfunden, aber eben nicht 1:1. Die dargestellten Konflikte, die sie auszutragen haben, sind aber „echt“. Damit können Games ein Faktenvermittlungstool sein, müssen aber nicht.

Die Assassin’s Creed-Serie wird von Geschichtsfans vor allem wegen ihrer jüngsten Teile und dem Discovery-Modus gelobt. Wie siehst du das?

Immer häufiger kamen Lehrkräfte auf Ubisoft zu, weil sie Assassin’s Creed im Unterricht einsetzen wollten und dafür nach speziellen Anpassungen fragten. Für Assassin’s Creed: Origins (2017, Ubisoft) kam dann erstmals ein Discovery-Modus raus. Der ist allerdings – auch für den Folgetitel Assassin’s Creed: Odyssey (2018, Ubisoft) – mit Vorsicht zu genießen. Er suggeriert, dass alles genau so passiert ist. Historisch „akkurat“ sind die Darstellungen jedoch nicht. Aber: der Discovery-Modus ist ein nützliches Tool, um den Schülern Medienkompetenz zu vermitteln und ihnen aufzuzeigen, dass sie historische Kontexte in Games kritisch hinterfragen sollten.

Besteht also die Gefahr, dass Games unser Vergangenheitsbild verzerren?

Am Ende ist es ein Unterhaltungsprodukt, das eine bestimmte Darstellung durch die Entwickler bietet. Leider fehlt es noch an Rezeptionsforschung dazu, ob und wie Spiele unser Bild von der Vergangenheit beeinflussen. Fakt ist, dass sie bestimmte Geschichtsbilder transportieren und damit gerade Spiele mit Massenwirkung potentiell das Bild einer Epoche prägen könnten, gerade von solchen, bei denen die Überlieferung dünn ist. Da stehen Games aber in einer Reihe mit anderen Medien. Manche Medienschöpfer*innen wollen einfach unsere Erwartungshaltung befriedigen, manche versuchen den aktuellen Forschungsgegenstand zu berücksichtigen. Assassin’s Creed: Odyssey hat das zum Beispiel zumindest in einem Punkt gemacht, da hier die Statuen alle historisch korrekt bunt bemalt sind. Wir kennen sie heute ja nur in Marmor-Weiß, da die Farbe mit der Zeit abgeblättert ist.

In welchen Spielen ist deiner Meinung nach die Darstellung von historischen Inhalten besonders gelungen oder misslungen?

Nach wissenschaftlichen Maßstäben müsste man jedes Spiel als „misslungen“ bezeichnen. Aber diese Maßstäbe sind für wissenschaftliche Texte gedacht und nicht für Games. Deswegen bringt es auch nichts, sie 1:1 auf Games anzuwenden. Doch auch aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive finde ich einzelne Aspekte bestimmter Produktionen persönlich sehr gelungen. In Through the Darkest of Times ist es für mich die Darstellung der Traumatisierung durch die Ereignisse. Im Discovery-Tour-Modus von Assassin’s Creed gibt es ein „Behind the Scenes“, das die Spiele wundervoll dekonstruiert. Aus Spielerperspektive würde ich die Anno-Serie (Ubisoft) als stimmig bezeichnen, aber aus der Sicht eines Historikers wird hier die Zeit des Kolonialismus romantisiert – oder in der Civilization-Serie (u.a. Sid Meier, Aspyr Media, Activision) wird militärische Expansion zum Naturzustand. Diese Kunstfreiheit, so mit Geschichte im Spiel umzugehen, darf es und muss es geben. Games sind ein Kulturgut. Jedoch ist der Diskurs über die Inhalte unheimlich wichtig.

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So idyllisch wie der Zuckerrohranbau in Anno 1800 in Szene gesetzt wird, war er für die Sklaven, die in der Realität daran beteiligt waren, wohl eher nicht. Quelle: Anno 1800/Ubisoft, Autor: Felix Zimmermann

Gibt es Spielprinzipien, die sich besser als andere für eine möglichst „reale“ Darstellung von historische Inhalte eignen?

Generell ist das eine Frage der Umsetzung. Bei einem Shooter würde man nicht erwarten, dass er innovativ mit historischen Inhalten umgeht. Doch Wolfenstein: The New Order (2014, MachineGames) hat genau das getan. Es gibt hier eine Mission in einem Konzentrationslager, in der man seiner Waffen beraubt wird und sich nicht einfach durchballern kann. Indem einem die Handlungsmacht genommen wird, soll die Hilflosigkeit und Verzweiflung in einem solchen Lager transportiert werden. Ich erwähnte bereits, dass sich Games ziemlich gut eignen um komplexe Systeme darzustellen, wie beispielsweise Beziehungsgeflechte. In Echtzeitstrategie-Spielen wie Crusader Kings 3 (2020, Paradox) werden gerne Macht- oder Dynastiegefüge abgebildet. Die sollen einen Eindruck vermitteln, wie die vergangene Welt als Ganzes funktioniert hat. Andere Medien konzentrieren sich eher auf einzelne Personen. Gerade auch die Divergenz zwischen den real-historischen Ereignissen und der Handlung, die durch das eigene Eingreifen ins Spiel entsteht, vermitteln einen guten Eindruck von den damaligen Verhältnissen, und was warum und wie ausgegangen ist.

Wenn ich ein Spiel mit geschichtlichem Hintergrund entwickeln will, was muss ich dabei beachten? Was würdest du empfehlen?

Wenn man ein Spiel mit historischem Inhalt entwickeln will, sollte man keine Scheu haben auf Expert*innen zuzugehen. Beispielsweise an Gedenkstätten oder Museen. Die können Entwickler*innen wertvolles Feedback zu ihrer Spielidee geben. Die meisten Historiker*innen wollen ja auch, dass ihr Thema Beachtung findet und werden super gerne ihr Wissen teilen. Man muss einfach offen auf Historiker*innen zugehen und sich inspirieren lassen. Was aus meiner Sicht noch mehr Beachtung verdient hat: Historische Inhalte können nicht nur auf der narrativen Ebene, sondern auch für die Spielmechanik eine Bereicherung sein und Aussagen über die jeweilige Epoche liefern.

In deiner Forschung konzentrierst du dich auf die epochalen Ereignisse Rund um Holocaust und Kolonialismus. Wie geht die Mehrheit der Spiele mit der Nazi-Thematik um? Was fällt auf? Und gibt es Unterschiede zwischen deutschen und internationalen Produktionen?

Aktuell findet ein Wandel statt. Früher waren Nazis einfach nur die Bösen und wurden als ultimativer Feind aufgebaut. Der Nationalsozialismus an sich und warum er überhaupt so problematisch ist, wurde selten thematisiert. Das ist diese Entpolitisierung, von der ich bereits gesprochen habe. Jörg Friedrich, Game Director von Paintbucket Games, hat das Problem mit den unkritischen Darstellungen von Nazi-Inhalten mal treffend in einem Interview formuliert: „Würde jemand heute alles, was er über die Geschichte des Dritten Reich weiß, ausschließlich aus Computerspielen lernen, dann gäbe es in dieser Geschichte keinen Holocaust und Nazis wären die Fraktion, die keiner mag, die aber die schicksten Uniformen und die besten Panzer hat.“ Es ist eine noch neue Entwicklung, dass auch die Vernichtungsideologie gezeigt wird, ohne die der Nationalsozialismus nicht möglich gewesen wäre, wie beispielsweise in Throught the Darkest of Times die Anfeindung von Juden. Paintbucket Games waren dahingehend ein bedeutender Impulsgeber. Ein wichtiger Schritt für Deutschland war die Anwendung der sogenannte Sozialadäquanzklausel in der Prüfungspraxis der USK. Früher durften Hakenkreuze und andere nationalsozialistische, beziehungsweise verfassungswidrige Inhalte in Games schlicht nicht gezeigt werden. Das hatte erhebliche Konsequenzen für die Aussagen der Spiele. In Deutschland wurde die Mutter des Protagonisten aus Wolfenstein II: The New Colossus einfach nur als Verräterin dargestellt. Eigentlich war sie aber Jüdin. Das ist ein erheblicher Unterschied und bei der Anpassung für den deutschen Markt sind die Entwickler*innen hier über das Ziel hinausgeschossen. Die Klausel ermöglicht es jetzt, dass im Einzelfall entschieden wird, ob die Darstellung von nationalsozialistischen Symbolen oder anderer Kennzeichnungen verfassungswidriger Organisationen einen zum Beispiel wissenschaftlichen oder künstlerischen Mehrwert bietet und zugelassen wird.

Zensur: Bis zur Einführung der Sozialadäquanzklausel war die Darstellung von verfassungswidrigen Inhalten in Deutschland grundsätzlich verboten. Für die deutsche Version von Castle Wolfenstein II: The New Colossus wurde daher ein alternatives Hakenkreuz-Symbol verwendet. Quelle/Autor: id software/zenimax

Gleiches Land, anderes Thema: Du beschäftigst dich auch mit Games als Kulturgut. Warum tut sich Deutschland so schwer, Games als solches zu betrachten?

Schon 2008 hatte der Deutsche Kulturrat den Verband G.A.M.E. (Anm. d. Red.: heute aufgegangen im game – Verband der deutschen Games-Branche) in seinen Katalog aufgenommen und das gilt bis heute so ein bisschen als der Moment, seitdem Games offiziell als Kulturgut in Deutschland anerkannt sind. Das ist aber ein Mythos. Games sind faktisch durch die Art, wie Menschen mit dem Medium umgehen ein Kulturgut, und es braucht keine höhere Instanz, die das festlegt. Die gesellschaftliche Anerkennung ist ein anderes Thema. Dafür war diese Aufnahme sicherlich wichtig. Deutschland hat diesen Prozess insgesamt allerdings verschlafen. Auch wirtschaftlich. Beispielsweise hinken wir im internationalen Vergleich in Sachen Games-Förderungen hinterher. Die Funktionalität von Games steht in der aktuellen Debatte im Vordergrund, also die Rolle von Games als Wirtschaftsfaktor oder Impulsgeber für technologischen Fortschritt. Games können aber mehr und dürfen auch abseits von wirtschaftlichem Erfolg oder Bildungsrelevanz einfach mal unterhalten. Schließlich sind Spiele und damit auch Videospiele ihrem Grundprinzip nach unproduktiv. Aber egal ob Serious oder nicht, der Zweck eines Spiels, sagt grundsätzlich nichts über seinen Wert aus. Ein weiterer Aspekt ist, dass hinter einem Game viele Berufsgruppen stehen, die zum Großteil aus dem Kreativbereich kommen. Diese unterschiedlichen Facetten der Spieleproduktion finden in der öffentlichen Diskussion über Videospiele in Deutschland oft nur am Rande statt.

Warum ist es überhaupt so wichtig, dass Games als Kulturgut anerkannt werden?

Die gesellschaftliche Anerkennung ist wichtig, weil Games nur so von Institutionen ernst genommen werden. Damit diese sich beispielsweise Games als Erinnerungskultur-Medium öffnen. Zwischen den Kultureinrichtungen unseres Landes einerseits und Entwickler*innen andererseits ließen sich viele spannende Kooperationen mit unterschiedlichen Konzepten schmieden. Die Erinnerungskultur an sich könnte dadurch weiterentwickelt und bereichert werden. Doch da stehen wir erst am Anfang. Wohin die Reise geht, wird sich noch zeigen.

Felix, vielen Dank für das Gespräch und die vielen spannenden Impulse aus der Schnittstelle von Game Studies und Geschichtswissenschaften.

Mehr über Felix, seine Publikationen und Aktivitäten erfahrt ihr auf seiner Homepage felix-zimmermann.net. Außerdem twittert er regelmäßig unter @Felix_Felixson. Sein Promotionsprojekt „Atmosphärisches Vergangenheitserleben im Digitalen Spiel“ wird auf der Seite der a.r.t.e.s. Graduate School vorgestellt.

Ihr wollt noch mehr Game Studies? Wir auch! Wenn ihr gerade an einem richtig spannenden Forschungsprojekt sitzt oder es vielleicht sogar schon abgeschlossen habt und findet, dass es bei uns auf die Seite passen würde, dann kontaktiert uns gerne unter redaktion@gamerrepublic.de. In einem weiteren Game Studies-Interview haben wir uns mit Adrian Froschauer über Träume in Games unterhalten.

6 Gedanken zu “Game Studies: Unpolitisch inkorrekt – Ein Interview mit Felix Zimmermann über Games als Medium der Erinnerungskultur

  1. Ein sehr spannendes Interview für das ich mich an dieser Stelle bedanken will. Ich selbst spiele nicht intensiv aber doch das eine oder andere Mal. Da ich Geschichte studiert habe, sind Spiele in historischem Kontex immer wieder auf meinem Radar. Entsetzen packte mich bei Civilization, wenn ich daran denke, dass hier für Generationen ein Geschichtsbewusstsein angeboten wird, das äusserst dürftig ist und sich noch dazu in mehreren Schieflagen befindet. Wer vermittelt denn sonst noch historisches Wissen mit einer Intensität wie es manche Spiele tun? Die Schule wohl sehr eingeschränkt. Ein ausgezeichnetes Blog übrigens: bin froh, es entdeckt zu haben.

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    1. Liebe/r tinderness,
      vielen lieben Dank für das positive Feedback zum Blog und zum Artikel. Das freut mich sehr!
      Ich denke, dass Games nicht alleine damit sind, was das transportieren von „kritischen“ Vergangenheitsbildern anbelangt. Ich zocke nicht nur, sondern lese auch gelegentlich historische Romane und schaue gern Filme/Serien mit historischem Hintergrund. Da ich Geschichte studiert habe, weiß ich, dass sie selten nah an der Realität sind. Selbst Dokumentationen sollten man mit Vorsicht genießen. Ja, sogar in historischen Quellen sind nicht zwangsläufig nüchterne Sachberichte, denen man bedinungslos Glauben schenken sollte. Felix hat es aber sehr gut formuliert: All so was darf und soll es geben. Wichtig ist nur, dass ein Diskurs über die Inhalte stattfindet. Dann kann so ein Game (oder Buch oder Film) mit Vergangenheitsbezug vielleicht sogar dazu anregen, sich überhaupt mal mit Geschichte zu beschäftigen.

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